OBERSCHWÄBISCHE ERINNERUNGSKULTUR
Der 7. April 1691 ist der Todestag Nikolaus Wieriths, des berühmten Abts von Kloster Marchtal. Die oberschwäbischen Prämonstratensermönche in Kloster Schussenried erinnerten sich lange an ihren Glaubensbruder. Über 60 Jahre später, im Jahr 1757, setzen sie ihm eine bis heute sichtbare Erinnerung: Franz Georg Hermann, berühmter Hofmaler der Fürstäbte von Kempten, malte ihn ins Deckenbild im reich verzierten Bibliothekssaal von Kloster Schussenried. Das Fresko zeigt den historischen Moment des Zusammentreffens von Abt und König.
EIN MÖNCH IN OBERSCHWABEN
Nikolaus Wierith erblickte 1634 in Füssen im Allgäu das Licht der Welt. Sein Weg führte ihn mit 17 Jahren vom Jesuitengymnasium zur Reichsabtei Marchtal, einem Kloster der Prämonstratenser. Bereits während seines Studiums, das er 1653 aufnahm und 1659 als Doktor der Theologie und Magister der Philosophie abschloss, fielen ihm wichtige Aufgaben zu. Beispielsweise begleitete er bereits 1657 die Äbte der Klöster Schussenried und Allerheiligen nach Prémontré, dem Gründungsort seines Ordens.
AM HOF DES SONNENKÖNIGS
Mittlerweile zum Generalvikar aufgestiegen begab Wierith sich 1686 erneut auf den Weg nach Prémontré. Dabei erfolgte ein Umweg über Versailles: Dort empfing ihn der Sonnenkönig Ludwig XIV. Wierith soll Eindruck hinterlassen haben. In einem 1771 – 80 Jahre nach dem Tod Wieriths – erschienenen Geschichtswerk zum 600-jährigen Jubiläum der Prämonstratensterabtei Marchtal liest man hierzu: „Seine gesetzte Wohlredenheit, seine standesmäßige Stellung zogen sich die höchste Gnade eines so durchdringenden, und witzigen Königes auf das Vollkommenste zu.“
EHRUNG DURCH SEINE GLAUBENSBRÜDER
War Ludwig XIV. tatsächlich angetan von Nikolaus Wierith? Diese Frage lässt sich nicht so leicht beantworten; jedoch zeigt die zitierte Textstelle etwas Anderes: Für die Mönche Marchtals war der Empfang beim französischen Monarchen von großer Bedeutung. Auch andernorts erinnerten sich die Prämonstratenser an ihre bedeutende Geschichte. Die Mönche Schussenrieds pflegten die Erinnerung an die Audienz des oberschwäbischen Abts mit einem Fresko – seit 1757 findet sich ein Bild der Empfangsszene an der Decke ihres Bibliothekssaales. Auf seinem Thron sitzend empfängt der „Sonnenkönig“ Ludwig XIV, mit Halskrause, Harnisch und blauem-Lilienmantel, den Abt mit blauem Schulterkragen (Mozetta). Die Begegnung selbst ist dabei historisch belegt – das Kostüm allerdings, das der Maler dem stets an der Spitze der modischen Entwicklung marschierenden Sonnenkönig im Schussenrieder Fresko verpasst hat, hat wenig mit der französischen Realität am Ende des 17. Jahrhunderts zu tun.
Information
Aktuell ist Kloster Schussenried wie alle Monumente der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg ebenso wie alle Kultureinrichtungen geschlossen.